Das Kanu Die Angewiesenheit auf den Anderen lässt sich in kaum einer Situation so gut nachempfinden wie beim gemeinsamen Anlegen mit einem Kanu an einer Uferstelle bei starker Strömung, womöglich noch kurz vor einem Gefälle oder Wehr. Nicht ohne Grund ist die Metapher "Wir sitzen alle im gleichen Boot" als Aufforderung gedacht, sich angesichts der ernsthaften Lage zurückzunehmen und auf das gemeinsame Ziel einzuschwenken: beim Kanufahren können divergierende Interessen unter Umständen für die Beteiligten feuchte Folgen haben. Beim Paddeln ist dies eine Sache der Abstimmung der Motorik auf den jeweils anderen. Allein schon um das Boot auf Kurs zu halten, ist ein gelicher Rythmus und gleich starker Paddelschlag erforderlich.[...] an Bord geht es nicht darum, sich und dem anderen zu beweisen, dass man stärker ist, jeglicher Wetteifer und -streit würde nur dazu führen, dass man sich im Kreise dreht, sondern um beidseitiges Kräftegelichgewicht, um die Abstimmung der Eigenbewegung mit der des Partners. Das Vorwärtskommen hängt nicht unbedingt vom Maximum des Kräfteeinsatzes ab, sondern davon, ob es gelingt, die eigenen Anstrengungen mit dem Kräfteeinsatz des anderen und den Naturbedingungen vor Ort in das rechte Verhältnis zu bringen, und zwar angesichts leiblich erfahrbarer Steuerungsprobleme. Paddeln zwingt zu Rücksichtnahme und gemeinsamen Absprachen. [...] aus: Mollenhauer, Klaus, Uhlendorff, Uwe: Sozialpädagogische Diagnosen : über Jugendliche in schwierigen Lebenslagen - Juventa, 1992, S. 121ff. |